2.1 Partner*innen finden

Von Sören Barge

Bei globalen Partner­schaften treffen immer mehrere Per­spektiven auf­einander. Daher ist es hilfreich, erst einmal die jeweiligen Be­dürfnisse, Potenziale und Er­wartungen auf jeder Seite der Partner­schaft in Bezug auf ein zukünftiges inter­nationales Bildungs­projekt wahrzunehmen. Auch wenn Sie noch keine Partner­organisation haben, ist dies eine gute Vorrausetzung: Die Projekt­planung wird umso einfacher, je mehr sich jede Seite im Vor­feld schon über ihre Ziele bewusst ist. Denn meist gibt es schon un­bewusste, in­formelle und intransparente An­nahmen. Wenn Sie aber mit einem klaren Bewusstsein und Ehrlichkeit in den Kontakt gehen, ver­einfacht das die Kommunikation und den Prozess der gemein­samen Ge­staltung. Bei bestehenden Kontakten können sich beide Seiten in einem ersten Schritt jeweils getrennt Fragen stellen und sie spä­ter miteinander abgleichen.

Die perfekte Partnerorganisation?

An dieser Stelle beschreibt das Handbuch die Situation, in der noch kein Kontakt zu potenziellen Partner*innen besteht. Durch die Vergewisserung Ihres eigenen Standpunkts haben Sie schon viele Erkenntnisse, wie die*der perfekte Partner*in für ein Bildungsprojekt aussehen würde. Diese*n wird es in der Realität aber wahrscheinlich nicht geben! Meist ist es darum sinnvoll, anhand einiger weniger Eigenschaften zu suchen und anschließend gemeinsam eine Basis zu finden und Ziele anzugleichen.

Oft wird abhängig vom gewünschten Thema oder per­sönlichen Interesse der Beteiligten ein Land oder Kontinent festgelegt, in dem eine Partner­organisation gesucht werden soll. Dabei sollte berück­sichtigt werden, dass es eine große Viel­falt an Sprachen, Religionen, Volks­gruppen, Land­schaften, politischen Situationen oder Bildungs­systemen, besonders innerhalb ganzer Kontinente wie Europa oder Afrika, aber auch innerhalb einzelner Länder gibt. Der Wunsch z. B. nach einer sehr allgemeinen „Partnerschaft mit einer Schule in Afrika/Europa“ sollte kritisch hinter­fragt werden: Welches ver­ein­fachte Bild von dem jeweils anderen Kontinent steckt dahinter? Warum nicht eine konkrete thematische Partner­schaft zwischen einer Schule an der deutschen und senegalesischen Küste, weil an beiden Orten viele Menschen am und mit dem Meer leben? Weitere Fragen sind hilfreich: Können beide Seiten an einer gemeinsamen Fragestellung im Kontext einer nachhaltigen und gerechten Welt arbeiten? In welchen Situationen müssen sie sich dafür befinden? Welche Gemein­samkeiten gibt es? Schauen Sie auch bei „zufällig“ gefundenen Partner*innen, z. B. vermittelt über persönliche Kontakte, nach:

  • einer gleichen Organisationsform (z. B. Grund-, Berufs- oder weiterführende Schule, Verein, Bildungsinstitution, …),
  • einem gemeinsamen thematischen Schwerpunkt in der alltäglichen Arbeit (z. B. Themen der SDGs wie Inklusion, nachhaltige Produktion/Konsum, gute Regierungsführung, …),
  • verbindenden globalen Themen (z. B. deutscher Kolonialismus, die Lieferkette einer Hose, …),
  • ähnlichen methodischen Ansätzen (z. B. Theater, politische Bildung, Jugendbeteiligung, …).

Insbesondere bei Partner­schaften zwischen Menschen aus dem Globalen Norden und Süden ist darüber hinaus die Ge­fahr groß, unbeabsichtigt und unbewusst in die Rollen der „Entwicklungs­hilfe“ von Gebenden und Nehmenden zu fallen. Reine Spenden­projekte erfüllen nicht die Kriterien einer Bildungs­partner­schaft und sollten kritisch gesehen werden. Bei der Aus­wahl von Partner* innen sollte schon im Vor­feld darauf geachtet werden. Eine offene Kommunikation über Rollen sollte dann das Ziel sein. Im besten Fall führt dies zu einer Erweiterung der Partnerschaft um gemeinsam zu bearbeitende Themen und Projekte.

 


Aufgrund ihrer bedeutenden Rolle für eine verantwortungsvolle Regierungsführung im Dienst der nachhaltigen Entwicklung sollten lokale Behörden und Führungskräfte an globalen Bildungspartnerschaften beteiligt werden. In Workshops mit Partner*innen können sie mehr über die wichtige Beziehung zwischen Bildungssystemen und Regierungsstrukturen lernen. Nach jedem Workshop können sie ihre Partnerschaftserfahrungen idealerweise nutzen, um neue kulturelle und politische Praktiken bei der Regierungsarbeit in ihrer Heimat zu entwickeln. Schließlich können sie jungen Teilnehmenden globaler Bildungspartnerschaften größere Chancen eröffnen, die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse anzuwenden und politische Verantwortung zu übernehmen.

Gilbert Kofi Germain Lehrer an der St.-Germain-Schule, Ghana

Partner*innen aktiv suchen

Es gibt einige Möglichkeiten, Partner*innen aktiv zu suchen. Oft ist es hilf­reich, im direkten sozialen und gesell­schaftlichen Um­feld zu beginnen. Hier gibt es meist inter­nationale Kon­takte, die sich für ein Pro­jekt eignen könnten: Migrant*innen und ihre Organi­sationen haben oft weiter­hin regen Aus­tausch mit ihrem Herkunftsland/- ort. Soziale Institut­ionen oder Gewerk­schaften können ihre Kon­takte nutzen. Ehe­malige Frei­willige oder Fach­kräfte, die für eine Zeit in Ländern des Globalen Nordens oder Südens ge­arbeitet haben (zum Bei­spiel im Rahmen des deutschen weltwärts-Programms), können Brücken bilden. Auch bestehende Partner­schaften der Stadt oder Kommune können ge­nutzt werden. Zusätzlich können in Deutsch­land lokale Vereine der Entwicklungs­politik, inter­nationalen Menschen­rechts­arbeit oder Welt­läden ange­sprochen werden, die Kontakte ver­mitteln können. Vorteile dieser meist persön­lichen Kontakte können eine schnelle Kommunikation und eine höhere Verbind­lichkeit sein. Eine Heraus­forderung kann die Geschichte der Kontakte sein, die eventuell von (finanziellen) Ab­hängigkeiten, Konflikten und gegen­seitigen Stereo­typen geprägt ist. Sie können auch ver­suchen, ganz neue Partner*innen zu finden, zum Beispiel durch eine Recherche im Internet zu einem Wunschort. Auch Organisationen mit thema­tischen Schwer­punkten lassen sich gut finden. Mehrere Internet­daten­banken vermitteln darüber hinaus konkret inter­nationale Kontakte für Schulen und Vereine.