4.1 Evaluation aktiv nutzen

Von Sören Barge

Im Laufe einer globalen Bildungszusammenarbeit stellen sich immer mal wieder grundsätzliche Fragen: Was wollten wir erreichen? Welche Wirkungen haben die Aktivitäten auf die Teilnehmenden und das Umfeld? Worauf können wir stolz sein, was läuft gut und für alle Projektpartner*innen zufriedenstellend? Welche Situationen, Prozesse, Beziehungen könnten oder sollten anders sein?

Im Projektmanagement sind dies alles Fragen der Evaluation, in der die Ergebnisse, die Folgen und die Wirkungen der Arbeit im Mittelpunkt stehen. Dieses „Infragestellen“ kann an bestimmten, selbstgewählten Punkten stattfinden. Oft werden z. B. größere Evaluationsworkshops zum Abschluss einer Besuchsreise oder nach der Erstellung eines gemeinsamen Produkts durchgeführt (Produktevaluation). Für nachfolgende Aktivitäten gewinnt man dadurch Ideen und Verbesserungsvorschläge. Das „Infragestellen“ kann aber auch fortlaufend in den Projektalltag integriert werden, z. B. durch regelmäßige Sammlung von Beobachtungen und deren Diskussion (Prozessevaluation). Hier kann dann noch während der laufenden Arbeit etwas verändert werden.

Im klassischen Sinne ist die Evaluation eine Überprüfung der Zielerreichung. Diese ist insbesondere für Förderinstitutionen wichtig, bei denen z. B. für die Unterstützung durch öffentliche Mittel auch Ergebnisse nachzuweisen sind. Sind die vorher gesteckten Ziele mit den Maßnahmen erreicht worden? Wie hat sich das Denken, Fühlen und Verhalten der Zielgruppen (z. B. Schüler*innen) verändert? Was wirkt besonders gut, was nicht? Eine Evaluation sollte aber nicht als bloße Bewertung der Arbeit (oder sogar als vergleichende Bewertung der Arbeit der Partner*innen) missverstanden werden. Auch besteht die Gefahr, dass nur quantitativ evaluiert wird. Solche nur mit Zahlen beschriebenen Ergebnisse, z. B. durch die Nutzung und Auswertung von Fragebögen mit Bewertungsskalen, zeigen ein erstes, hilfreiches Bild, tauchen aber noch nicht tief in die komplexen Zusammenhänge globaler Bildungszusammenarbeit ein. Auch ist die Annahme, dass eine bestimmte Handlung eine bestimmte Wirkung nach sich zieht, sehr vereinfachend. Eine Evaluation sollte darum auch mittels qualitativer und kreativer Methoden versuchen, die Perspektiven der Beteiligten einzufangen und Schlüsse für die gemeinsame Arbeit zu ziehen. Sie ist damit auch ein bedeutendes Werkzeug zur gegenseitigen Verständigung: Ein ehrliches, dabei aber wertschätzendes Feedback zwischen den Beteiligten und die gemeinsame Suche sowohl nach Problemen als auch nach guter Praxis sind in der globalen Bildungszusammenarbeit wesentliche Stützpfeiler langfristiger Partnerschaft.

Umfangreiche Handreichung zur
Evaluation entwicklungsbezogener
Bildungsarbeit:
www.t1p.de/handreichung-evaluation

Ein praktischer Leitfaden mit vielen
Reflexionsmethoden
im Sinne eines
transformativen Lernens:
www.t1p.de/reflection-methods

Gemeinsam einen kritischen Blick entwickeln

Der Fokus einer Evaluation kann unterschiedlich gewählt werden: Gerade im Bereich von Bildungsaktivitäten ist es auf der inhaltlichen Ebene von Interesse, wie und was die Teilnehmenden entdeckt, erfahren und gelernt haben. In Partnerschaften kann darüber hinaus aber auch die (kritische) Betrachtung der Organisation, der strukturellen Verankerung, der Zusammenarbeit oder der Rollenaufteilung aufschlussreiche Resultate ergeben. So sollten sich die Beteiligten vorher abstimmen und gemeinsame Evaluationsbedürfnisse beschließen. Im besten Fall wird dies schon bei der gemeinsamen Erarbeitung von Zielen (Unterkapitel 2.2) mitgedacht und geplant, sodass alle Seiten wissen, welche Maßstäbe angelegt werden. In einem weiteren Verständnis von Evaluation lässt sich aber auch die gemeinsame Reflexion der Erfahrungen während der Partnerschaft oder des Projekts nutzen, um für die Zukunft zu lernen. Werden die Maßstäbe allerdings nur von einer Seite gesetzt und ohne Dialog überprüft, führt dies sehr wahrscheinlich zu einer Störung der gemeinsamen Kommunikation und zu einer ungewissen Zukunft der Zusammenarbeit.

Unterschieden werden kann darüber hinaus zwischen Selbstund Fremdevaluation: Erstere bedeutet, dass die Beteiligten selbst mittels verschiedener Methoden ihre Arbeit zu reflektieren versuchen. Bei der Fremdevaluation hingegen werden Unbeteiligte (z. B. Berater*innen, Wissenschaftler*innen, Förderinstitutionen) gebeten, dies zu übernehmen. Bei beiden kann es zu „blinden Flecken“ kommen: Die Beteiligten haben vielleicht schon eine feste Perspektive auf die Partnerschaft im Kopf, die sie gar nicht mehr infrage stellen. Unbeteiligte hingegen tauchen eventuell nicht so tief in das Projekt ein und kratzen mit ihren Beobachtungen nur an der Oberfläche. Auch die Rollen sind divers: Bei einer Selbstevaluation ist die Kritik gegenüber der eigenen oder der Arbeit der Partner*innen möglicherweise weniger ausgeprägt. Unbeteiligte können vielleicht gerade in Partnerschaften durch einen „unparteiischen“ Blick von außen Probleme in der Arbeit und Konflikte zwischen den Beteiligten besser benennen. Sinnvoll ist dies aber nur, wenn die Partner*innen im Anschluss auch bereit sind, sich mit der Kritik auseinanderzusetzen. An dieser Stelle sind die Grenzen zwischen Evaluation und Beratung oder Mediation fließend. Einige der in Unterkapitel 3.7 aufgelisteten Akteur*innen bieten diese Formen der Begleitung teilweise an. Gemein haben aber all diese Formen, dass sie die globale Bildungspartnerschaft oder das Projekt weiter vertiefen und auf der Basis gemeinsamer Erkenntnisse festigen wollen.

In der Beratung von Engagierten der internationalen Projektarbeit ist die Wirkung von deren Vorhaben oft ein Thema. Die Maßnahmen und Methoden für die selbstgesteckten Ziele zu finden, ist eine Sache, hinzu kommen die geeigneten Instrumente, um die Zielerreichung auch messen zu können. Zum Glück gibt es einige gut umsetzbare und erprobte Tools, die überprüfen, ob und mit welchem Aufwand die Projektziele erreicht bzw. nicht erreicht wurden/ werden. Dies trägt dazu bei, Schwierigkeiten in dem Projekt frühzeitig zu erkennen und die Qualität des Projekts zu sichern.

Mana Atiglo
Eine Welt-Promotorin für Migration und Entwicklung beim Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen, Deutschland

Auf der „Connect for Change“-Konferenz wurde die Methode des Peer-Coaching angewandt, bei der zu einem individuellen Fall kollegial Ideen und Perspektiven gesammelt werden:
www.t1p.de/handout-peercoaching